Fristlose Verdachtskündigung im Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Jörg Halbe

Bei einer Verdachtskündigung stützt der Arbeitgeber die Kündigung nicht auf eine vom Arbeitnehmer tatsächlich begangene schuldhafte Pflichtverletzung, sondern allein darauf, dass der betreffende Arbeitnehmer im Verdacht steht, eine Vertragsverletzung – wie etwa eine Straftat oder einen sonstigen schwerwiegenden Vertrauensbruch – begangen zu haben.

Nach § 626 BGB kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, sofern Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund, der generell geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigten, ist insbesondere bei (auch bloß versuchten) Straftaten des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers – wie etwa Arbeitszeitbetrug, Diebstahl, Unterschlagung, Beleidigung, Geheimnisverrat etc. – gegeben.

 

Bei einer Verdachtskündigung wird nun die Kündigung aber nicht auf eine vom gekündigten Arbeitnehmer mutmaßlich tatsächlich begangene schuldhafte Pflichtverletzung gestützt, sondern allein darauf, dass der betreffende Arbeitnehmer im Verdacht steht, eine Vertragsverletzung – wie etwa eine Straftat oder einen sonstigen schwerwiegenden Vertrauensbruch zum Nachteil des Arbeitgebers – begangen zu haben.

 

Voraussetzungen der Verdachtskündigung

 

Eine Verdachtskündigung setzt dabei – soll sie wirksam sein und einer Überprüfung vor dem Arbeitsgericht standhalten – zunächst voraus, dass sich der Verdacht auf eine vom Arbeitnehmer begangene Straftat bzw. sonstige schwerwiegende Vertragsverletzung aus objektiven, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Tatsachen speist. Diese müssen geeignet sein, einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung zu veranlassen. D.h. die Vertragsverletzung, derer der Arbeitnehmer aufgrund objektiv vorliegender Tatsachen verdächtigt wird, muss von erheblichem Gewicht sein. Ferner muss der Verdacht dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit auch tatsächlich begangen hat bzw. Täter einer gegebenenfalls auch nur versuchten strafbaren Handlung ist. Auf bloße Vermutungen gestützte Verdächtigungen begründen hingegen keinen dringenden Verdacht, mit welchem sich eine Verdachtskündigung rechtswirksam rechtfertigen ließe.

 

Anhörung des Arbeitnehmers

 

Schließlich muss der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe vor Ausspruch der Kündigung zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen. Dies hat durch Anhörung des Arbeitnehmers im Rahmen der zwingend gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG muss dies innerhalb einer Woche ab Kenntnis des Arbeitgebers von den verdachtsbegründenden Tatsachen passieren. Bis zur Anhörung des Arbeitnehmers ist die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, wonach eine fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntniserlangung zu erfolgen hat, regelmäßig gehemmt. D.h. der zweiwöchige Fristlauf des § 626 Abs. 2 BGB beginnt erst nach erfolgter Anhörung des Arbeitnehmers.

 

Es reicht nicht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen der Anhörung lediglich mit einer völlig unsubstantiierten Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich vielmehr auf einen hinsichtlich Ort, Art und Zeit konkretisierten Sachverhalt bzw. Vorwurf beziehen. Der Arbeitgeber darf dem betroffenen Arbeitnehmer hierbei keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten, die ihm zum Zeitpunkt der Anhörung bereits vorlagen.

 

Aus Gründen der Beweislast sollte der Arbeitgeber die Anhörung unter Beiziehung eines Zeugen dringend protokollieren. Nach erfolgter Anhörung ist im übrigen ein etwaig vorhandener Betriebsrat wie sonst auch vor Ausspruch der Kündigung nach § 102 BetrVG binnen der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB anzuhören. Erst danach kann dann rechtswirksam gekündigt werden.

 

Fazit

 

Auch wenn sich die Tat, derer der Arbeitnehmer verdächtigt wird, nicht zweifelsfrei beweisen lässt, kann der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung grundsätzlich allein auf den insoweit bestehenden dringenden Verdacht stützen. Dies jedenfalls, sofern dieser auf objektiven Tatsachen beruht. Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber aber alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben. Hierzu gehört regelmäßig die fristgerechte Anhörung des von ihm verdächtigten Arbeitnehmers.

 

Der gekündigte Arbeitnehmer, der sich zu Unrecht verdächtigt sieht, kann zur Wahrung seiner Rechte Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Denn auch wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den Sachverhalt sorgfältig ermittelt hat und nach seinem damaligen Kenntnisstand aufgrund der festgestellten objektiven Umstände ein dringender Verdacht gegeben war, ist die Kündigung unwirksam, wenn der Arbeitnehmer nachträglich im Kündigungsschutzprozess den Verdacht entkräftende Tatsachen vortragen kann, welche jedoch zwingend – wenn auch unerkannt – bereits vor Kündigungszugang vorgelegen haben müssen. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt insoweit also letztlich vom objektiven Tatbestand bei Zugang der Kündigung und nicht vom subjektiven Wissensstand des Arbeitgebers ab.

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