Fristlose Kündigung bei Verletzung der Rücksichtnahmepflicht

Rechtsanwalt Jörg Halbe

Nach einem Urteil des LAG Köln liegt in der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten nicht zuletzt wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, welcher geeignet ist, die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auch ohne vorangegangene Abmahnung zu rechtfertigen.

Nach § 626 BGB kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Der für die außerordentliche Kündigung erforderliche „wichtige Grund“ ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

 

Arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht

 

Ein solcher, eine fristlose Kündigung rechtfertigender „wichtiger Grund“ kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Einzelfall auch in der erheblichen Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten liegen. Die Pflicht des Arbeitnehmers, auf die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, umfasst auch die Pflicht, über die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder persönlichen Umstände oder Verhaltensweisen von Vorgesetzten und Kollegen sowie des Arbeitgebers Stillschweigen zu wahren. Wird durch die Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht das für die Erfüllung des Arbeitsvertrags notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich zerstört, ist eine hierauf gestützte fristlose Kündigung in aller Regel auch ohne vorangegangene Abmahnung wirksam.

 

Weitergabe fremder Daten

 

Nach LAG Köln, Urteil vom 02.11.2021 – 4 Sa 290/21 –, liegt nun in der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten nicht zuletzt wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Die in der Buchhaltung einer evangelischen Kirchengemeinde beschäftigte Arbeitnehmerin hatte einen privaten Chat-Verlauf zwischen dem in der betreffenden Gemeinde gleichfalls tätigen Pastor und einer im Kirchenasyl der Gemeinde lebenden Frau zunächst auf dem Dienstcomputer des Pastors zur Kenntnis genommen, sodann auf einem USB Stick gespeichert und schließlich anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weitergeleitet. Dies sei – so das LAG Köln – auch nicht durch die von der hierauf gekündigten Arbeitnehmerin behaupteten Beweggründe, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen, gerechtfertigt gewesen. Vielmehr sei der Gemeinde eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der Schwere der Pflichtverletzung unzumutbar und damit auch für jedermann erkennbar ausgeschlossen.

 

Das Vertrauensverhältnis hatte die Arbeitnehmerin durch ihr arbeitsvertragswidriges Verhalten unwiederbringlich zerstört. Hieran hätte auch eine Abmahnung der Arbeitnehmerin nichts zu ändern vermocht. Der Gemeinde blieb schlussendlich nichts anderes übrig, als das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen kann, sein Verhalten sei nicht arbeitsvertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen, ist nämlich eine vorhergehende, kongruente Abmahnung entbehrlich.

 

Fristlose Kündigung ohne vorangegangene Abmahnung

 

Wird durch eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich zerstört, ist eine hierauf gestützte fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorangegangene, kongruente Abmahnung wirksam.

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