Mit Urteil vom 8.4.2014 – 274 C 22307/13 – hat das AG München die Klage eines Hörbuchverlags auf Kostenerstattung und Schadensersatz aus Urheberrechtsverletzung als unbegründet abgewiesen.
Der Entscheidung des AG München liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Der beklagte Anschlussinhaber wurde am 17.05.2010 von dem klagenden Hörbuchverlag mit Sitz in Köln wegen der unerlaubten Verwertung geschützter Werke in so genannten Internet-Tauschbörsen abgemahnt. So soll der Beklagte am 05.03.2010 von 22:45 Uhr bis 06.03.2010, 0:36 Uhr, eine Datei in einer Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten haben, die das Hörbuch „Das verlorene Symbol“ von Dan Brown enthielt. Mit der Abmahnung verlangte die Klägerin von dem Beklagten insoweit Unterlassung, Schadensersatz sowie die Erstattung der ihr durch die Abmahnung angeblich entstandenen Rechtsverfolgungskosten.
Zur Erfüllung des mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruchs und damit zur Vermeidung einer ansonsten möglichen einstweiligen Verfügung ließ der von der Kölner Rechtsanwaltskanzlei WAGNER HALBE Rechtsanwälte vertretene Beklagte unter dem 21.05.2010 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine modifizierte Unterlassungserklärung abgeben. Zur Zahlung von Schadensersatz und Kostenerstattung sah sich der Beklagte, da er die Urheberrechtsverletzung nachweislich nicht begangen hatte, nicht verpflichtet. Er habe schließlich während des vorgeblichen Download-Zeitraums tiefschlafend neben seiner Verlobten gelegen, mit der er den Abend des 05.03.2010 und die darauf folgende Nacht verbracht hatte. Am Abend des 05.03.2010 habe er den Computer aus- und erst am Abend des 06.03.2010 wieder angemacht. Zu diesem Zeitpunkt seien die drei Kinder des Beklagten im Alter von damals 14 bis 22 Jahren im Hause gewesen und hätten den Internetanschluss genutzt. Ebenso wie die Verlobte des Beklagten hätten auch dessen Kinder zumindest einen eigenen Rechner, mit dem sie über den Internetanschluss des Beklagten auf das Internet zugreifen könnten.
Für den Beweis des Gegenteils bot sodann die Klägerin, d.h. der Hörbuchverlag, im Rahmen des späteren Klageverfahrens Zeugnis der drei Kinder sowie der Verlobten des Beklagten an. Die von der Klägerin benannten Zeugen machten unisono von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Klägerin blieb damit im Prozess beweisfällig. Die Klage wurde infolgedessen von dem Amtsgericht München als unbegründet abgewiesen.
Das Amtsgericht München begründet seine Entscheidung wie folgt:
Die Klägerin vermochte nicht nachzuweisen, dass der Beklagte persönlich die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hat. Zwar trifft den Beklagten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass er als Inhaber des fraglichen Internetanschlusses auch für über seinen Anschluss begangene Rechtsverletzungen verantwortlich ist. Diese Vermutung hat der Beklagte jedoch entkräftet, in dem er vorgetragen hat, während der streitgegenständlichen Zeitspanne neben seiner Verlobten geschlafen zu haben, während seine drei Kinder, die zu diesem Zeitpunkt im Hause waren, über eigene Computer die Möglichkeit des Zugriffs auf das Internet gehabt hätten. Damit hat der Beklagte die ernsthafte Möglichkeit aufgezeigt, dass allein ein Dritter (nämlich eines der drei Kinder) und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat. Weiterer Vortrag war zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung nicht notwendig und kann bei lebensnaher Betrachtung vom Beklagten auch nicht erwartet werden.
Leben in einem Haushalt mehrere Familienmitglieder und nutzen diese das Internet – wie hier – über eigene Computer, entzieht es sich regelmäßig der Kenntnis des Anschlussinhabers welches Familienmitglied sich zu einem konkreten vergangenen Zeitpunkt in das Internet eingewählt hat und welche Vorgänge dort gegebenenfalls initiiert wurden.
Soweit die Klägerin bestritt, dass die Familienmitglieder die streitgegenständliche Verletzung begangen hätten, konnte sie dies nicht beweisen. Dem Beklagten obliegt es nicht, die im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen zu beweisen. Die von der Klägerseite benannten Zeugen beriefen sich sämtlich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
Der Beklagte haftet auch nicht als Störer. Dies setzte voraus, dass der Beklagte als Anschlussinhaber Prüfpflichten verletzt hat und eine solche Pflichtverletzung auch kausal für die behauptete Urheberrechtsverletzung gewesen ist. Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es vorliegend. Anlasslose Belehrungs- und/oder Kontrollpflichten des Beklagten gegenüber seiner Verlobten oder den erwachsenen Kindern bestanden nicht. Es kann daher dahinstehen, ob der Beklagte seinen damals noch minderjährigen Sohn ausreichend belehrte, denn solange auch die Verlobte und die erwachsenen Kinder als Täter in Betracht kommen, steht nicht fest, dass eine etwaig pflichtwidrig unterlassene Belehrung des minderjährigen Sohnes kausal für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung war.
Fazit:
Der zunächst abgemahnte und später gar verklagte Anschlussinhaber muss nach der Entscheidung des AG München an den Hörbuchverlag weder Schadensersatz leisten, noch hat er diesem die Abmahnkosten zu erstatten. Zudem trägt die Klägerin die Prozesskosten des von ihr verklagten Anschlussinhabers.
Gegen Klagen der Abmahnindustrie können sich zumindest die beklagten Anschlussinhaber mit besten Erfolgsaussichten verteidigen lassen, die den Anschluss nicht alleine nutzen, sondern weiteren Nutzern, wie etwa Familienangehörigen oder Mitbewohner zur Verfügung stellen. Bei Erhalt einer Klageschrift gilt es daher, Ruhe zu bewahren und einen Rechtsanwalt zu konsultieren, der einen vorab über die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung aufklärt.
Jörg Halbe ist Rechtsanwalt in Köln und geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Kanzlei WAGNER HALBE Rechtsanwälte. Die Kanzlei WAGNER HALBE Rechtsanwälte berät und vertritt seit vielen Jahren bundesweit einige tausend Abmahnopfer in allen Fragen des Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrechts – schnell, diskret und effizient! Zur zunächst unverbindlichen und insoweit selbstverständlich kostenfreien Besprechung der Sach- und Rechtslage erreichen Sie uns werktäglich bis 19.00 Uhr telefonisch unter der Durchwahl 0221 – 3500 67 80.
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