Der Widerrufsjoker: Zum nachträglichen Widerruf von Darlehensverträgen

Rechtsanwalt Jörg Halbe

Sollten Sie nach dem 01.11.2002 ein Darlehen etwa zur Finanzierung eines Hauskaufs oder einer Eigentumswohnung aufgenommen haben, können Sie möglicherweise vom so genannten „Widerrufsjoker“ profitieren. Mit dem Widerrufs-Joker ist es Ihnen möglich, auch heute noch einen bereits vor vielen Jahren abgeschlossenen Darlehensvertrag ohne Vorfälligkeitsentgelt zu widerrufen, ein neues Darlehen zur Finanzierung der verbliebenen Restschuld aufzunehmen und somit vom derzeitigen Rekordtief der Bauzinsen zu profitieren. Die hierdurch zu erzielenden Zinsersparnisse belaufen sich abhängig von den Umständen des Einzelfalls schnell auf einige zehntausend Euro.

 Zum rechtlichen Hintergrund des Widerruf-Jokers:

Seit dem 01.11.2002 sind die kreditgebenden Banken verpflichtet, Verbraucher bei Abschluss eines Kreditvertrags über das den Verbrauchern gesetzlich zustehende Widerrufsrecht zu belehren. Danach ist es Verbrauchern möglich, einen abgeschlossenen Kreditvertrag binnen einer Frist von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Ein bereits abgeschlossener Darlehensvertrag wird nach erfolgtem Widerruf rückabgewickelt, d.h. die beiderseits empfangenen Leistungen müssen jeweils zurückgegeben werden.

Selbst wenn Sie Ihren Darlehensvertrag zur Immobilienfinanzierung bereits vor vielen Jahren abgeschlossen haben sollten und die 14-tägige Widerrufsfrist damit vermeintlich schon seit langem abgelaufen zu sein scheint, haben Sie unter Umständen auch heute noch die Möglichkeit, diesen zu widerrufen. Hat Sie der Kreditgeber nämlich insoweit bei Vertragsschluss falsch, unzureichend oder sonst wie fehlerhaft belehrt, ohne dabei eins-zu-eins auf die vom Gesetzgeber bereitgestellte Muster-Widerrufsbelehrung zurückgegriffen zu haben, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen, mit der Folge, dass Sie den Darlehensvertrag auch Jahre nach Vertragsschluss, gleichsam „bis in alle Ewigkeit“, widerrufen können.

Fehlerhaft ist die Widerrufsbelehrung nach der Rechtsprechung zum Beispiel dann, wenn

– die Widerrufsbelehrung entgegen der gesetzlichen Anforderungen keinen Hinweis auf die ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten enthält,

– die Belehrung über die Widerrufsfolgen zumindest unvollständig ist, sich etwa über die Widerrufsfolgen für den Darlehensgeber ausschweigt,

– die Belehrung von der Muster-Widerrufsbelehrung abweichende, ergänzende Formulierungen enthält, die für den Kreditnehmer verwirrend und unverständlich sind,

– unzutreffend oder unverständlich über den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist belehrt wird,

– das Kreditinstitut gesetzliche Gestaltungshinweise in der Belehrung aufgeführt hat, die für den konkreten Vertrag nicht einschlägig waren,

– auf veraltete Muster zurückgegriffen oder auf überholte Rechtsvorschriften verwiesen wurde.

Weicht die verwendete Widerrufsbelehrung noch dazu inhaltlich oder gestalterisch von der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Muster-Widerrufsbelehrung des Gesetzgebers ab, bewirkt ein jeder dieser Fehler, dass die 14-tägige Frist, binnen der der Darlehensvertrag widerrufen werden kann, nicht in Gang gesetzt wurde. Sie können den Darlehensvertrag in diesem Fall auch noch nach Jahren gemäß §§ 495, 355 BGB widerrufen, ohne dass von Ihnen eine Vorfälligkeitsentschädigung an den Kreditgeber zu zahlen wäre.

Ausübung des Widerrufs:

Holen Sie sich zunächst vor der Ausübung des Widerrufsrechts bei einem Baufinanzierer Ihrer Wahl ein annahmereifes Angebot für die Umschuldung Ihrer Darlehen ein (die Umschuldung erstreckt sich in der Regel auf die aus dem alten Darlehensvertrag noch offene Restschuld). Erst wenn Ihnen ein solches Angebot vorliegt, widerrufen Sie den alten Darlehensvertrag.

Der Widerruf sollte schriftlich, am besten per Einschreiben, erklärt werden.

Widerrufsfolgen:

Nach dem erfolgten Widerruf müssen Sie Ihrem alten Darlehensgeber innerhalb von 30 Tagen die damals aufgenommene Darlehenssumme zuzüglich der bis dahin angelaufenen marktüblichen Zinsen überweisen. Dieser Betrag wird mit den von Ihnen bereits geleisteten Ratenzahlungen, die Ihnen Ihr alter Kreditgeber – ebenfalls marktüblich verzinst – zurückzuzahlen hat, verrechnet. So der vertraglich vereinbarte Zinssatz für vergleichbare Darlehen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses marktüblich war, wäre von Ihnen also im Ergebnis nach Verrechnung ein Betrag in Höhe der verbliebenen Restschuld ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Diese Restschuld finanzieren Sie dann entsprechend des von Ihnen zuvor eingeholten Angebots zu mitunter weitaus günstigeren Zinskonditionen.

Fazit:

Die Überprüfung der von Ihrer kreditgebenden Bank verwendeten Widerrufsbelehrung kann sich für Sie auszuzahlen. Erweist sich die Widerrufsbelehrung als fehlerhaft und weicht diese noch dazu von der zum Zeitpunkt des Vertragsschluss geltenden Muster-Widerrufsbelehrung ab, können Sie Ihren alten Darlehensvertrag widerrufen und Ihre vor Jahren erworbene Immobilie nachträglich zu den historisch günstigen Konditionen von heute finanzieren.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die in Ihrem Kreditvertrag enthaltene Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, ist dabei im übrigen sehr groß. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg sind rund 80 % aller ab 2002 geschlossenen Kreditverträge von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen, die den Kreditnehmer zum späten Widerruf berechtigen, betroffen. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich, jeden nach dem 01.11.2002 abgeschlossenen Baufinanzierungsvertrag von einem mit der Problematik vertrauten Anwalt im Hinblick auf eine etwaig noch bestehende Widerrufsmöglichkeit überprüfen zu lassen.

Hierfür stehen wir Ihnen deutschlandweit zur Verfügung. Die Überprüfung Ihrer Widerrufsbelehrung erfolgt innerhalb einer Woche zu einem vorher vereinbarten Pauschalhonorar. Gerne sind wir Ihnen zudem bei der Erstellung Ihrer Widerrufserklärung behilflich oder erklären den Widerruf gleich ganz für Sie. Sollten Sie noch Fragen zum Widerrufs-Joker haben, erreichen Sie uns telefonisch unter 0221 – 3500 67 81 oder per E-Mail über info@wagnerhalbe.de. Die Anfrage ist selbstverständlich für Sie unverbindlich und kostet nichts.

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