In einem aktuellen Urteil hat das Amtsgericht Düsseldorf klargestellt, dass Polizeibeamte auch für einfache Verletzungen, die sie im Dienst durch einen körperlichen Angriff auf ihre Person erlitten haben, ein erhebliches Schmerzensgeld einfordern können. Hierfür können sie den Schädiger selbst und direkt zivilrechtlich in Anspruch nehmen (rechtskräftiges Urteil des Amtsgericht Düsseldorf v. 01.12.2016 – 27 C 158/16, bestätigt durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf v. 18.05.2017 – 20 S 216/16).
In dem von dem Amtsgericht Düsseldorf bewerteten Fall, entlud ein Demonstrant seine geballte politische Überzeugung durch einen Faustschlag in das Gesicht eines Polizeibeamten, der während einer Großdemonstration angrenzende Gebäude schütze. Hierbei schlug der vermummte Angreifer gezielt durch das offene Visier des Polizeihelms und traf den Polizisten so unmittelbar im Augenbereich. Glücklicherweise erlitt der Beamte hierdurch nur eine sehr leichte Kratz- und Schürfwunde im Gesicht. Dennoch wurde ihm ein beträchtliches Schmerzensgeld von 750,00 Euro nebst Zinsen zugesprochen.
Das Düsseldorfer Gericht hat dabei in seiner Entscheidung ausdrücklich betont, dass dass Schmerzensgeld nicht nur dem Ausgleich der eigentlichen Verletzungsfolgen dient, sondern darüber hinaus auch noch die Funktion der Genugtuung erfülle. Gerade bei einem Angriff eines gewalttätigen Demonstranten auf einen Polizisten im Dienst sei diese Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes hoch anzusetzen.
Der gewaltbereite Demonstrant, welcher zuvor bereits strafrechtlich wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer geringfügigen Geldstrafe verurteilt worden war, versuchte noch, das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf mit dem Rechtsmittel der Berufung anzugreifen. Schließlich trüge der Polizeibeamte eine “Mitschuld“ an seiner Verletzung: Die Verletzung sei nur deswegen möglich gewesen, weil der Polizist das Visier seines Schutzhelms nicht geschlossen hätte; da sei er auch selbst schuld an seiner Verletzung.
Für diese abenteuerlich begründete Berufung beantragte der Gewalttäter sogar Prozesskostenhilfe des Staates. Das Landgericht Düsseldorf versagte jedoch die begehrte Prozesskostenhilfe durch abweisenden Beschluss, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keinerlei Erfolgsaussichten habe. Daraufhin wurde die Berufung zurückgenommen. Hierdurch wurde das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf rechtskräftig.
Das Landgericht Düsseldorf betonte in seiner Entscheidung, dass sich ein Schmerzensgeldanspruch gerade in Fällen vorsätzlicher Schädigungen nicht auf symbolische Beträge beschränken dürfe. Vielmehr müsse die Höhe des Schmerzensgeldes so bemessen werden, dass hierdurch zusätzlich auch eine abschreckende Wirkung erzielt würde.
Schließlich träfe den Polizeibeamten nach den Ausführungen des Landgerichts Düsseldorf auch keinerlei Mitverschulden an seiner eigenen Körperverletzung. Der Polizist sei vielmehr genügend gesichert gewesen, da er vollständige Schutzkleidung trug und zudem Teil einer Polizeikette gewesen sei. Lediglich das Helmvisier sei nicht geschlossen gewesen. Ein Gewalttäter, der eine solche punktuelle Schwachstelle für seinen Angriff ausnutze, könne sich nicht auf „einen unzureichenden Eigenschutz der Einsatzkraft“ berufen. Diese Argumentation widerspräche bereits dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (vgl. Beschluss des Landgerichts Düsseldorf v. 18.05.2017 – 20 S 216/16).
Fazit:
Polizeibeamten die während ihres Dienstes verletzt werden, stehen erhebliche eigene Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger zu. Bei der zivilrechtlichen Realisierung dieser Ansprüche helfen spezialisierte Anwälte und die Gewerkschaft der Polizei. In Nordrhein-Westfalen wird zukünftig sogar das Land diese Ansprüche erfüllen, wenn der verurteilte Angreifer mittellos ist und die Schäden somit nicht selbst kompensieren kann.
Die strafrechtlichen Verurteilungen von Gewalttätern werden zudem von den Betroffenen oft als zu milde empfunden. Die zusätzliche Verurteilung zur Zahlung eines hohen Schmerzensgeldes dient der Genugtuung und hilft wegen seiner abschreckenden Wirkung auch dabei, zukünftige Gewalttaten zu verhindern.
Die Verfahren wurden von Rechtsanwalt Thilo Wagner (WAGNER HALBE Rechtsanwälte – Köln) geführt.
Das war der Fall:
(Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Amtsgericht Düsseldorf v. 01.12.2016 – 27 C 158/16 im originalen Wortlaut):
„1. Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Schadensersatz anlässlich einer behaupteten Körperverletzung.
Der Kläger ist Polizeibeamter.
Der Beklagte war gemeinsam mit dem Zeugen M. Teilnehmer der nachfolgend geschilderten Demonstration.
Am 17.05.2014 fand in Düsseldorf eine Demonstration der „Blockupy“-Bewegung statt, die auf der Königsallee endete. Bei der „Blockupy“-Bewegung handelt es sich um ein linkspolitisches, antikapitalistisches und globalisierungskritisches Netzwerk.
Im Zuge der Demonstration kam es auf der Königsallee zu einer Menschenansammlung, wobei der Beklagte Teil der anwesenden Demonstrantenmenge war. Im Zuge der Menschenansammlung wurde durch die diensthabende eingesetzte Hundertschaft eine Kette von Polizeibeamten gebildet, wobei streitig ist, ob der Kläger dabei auf Seiten der Polizeibeamten angesetzt war.
Im Zuge der Menschenansammlung kam es zu Ausschreitungen, deren Ursache, Inhalt und Intensität zwischen den Parteien streitig ist.
Die Menschenansammlung wurde durch das Beiweissicherungs-Team (Im Folgenden: BeSi-Team) der Polizei gefilmt.
Im weiteren Verlauf der Demonstration wurde der Beklagte vorläufig festgenommen und in Polizeigewahrsam genommen und um 17:16 Uhr des 17.05.2014 wieder entlassen.
Ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft (80 Js 541/14) wurden bei dem Kläger am Tag der Demonstration Schürfwunden im Augenbereich festgestellt (Bl. 10 BA). Ausweislich eines ärztlichen Attestes zur Vorlage bei der Polizei/Gericht vom 21.05.2014 konnten hinsichtlich des Klägers folgende Diagnosen durch den untersuchenden Arzt erhoben werden:
„ – Vorübergehende Sehstörungen
-multiple Kratz-und Schürfwunden im Gesicht“
Nach eigenen Angaben des Klägers sei dieser zuvor während einer Demonstration tätlich angegriffen worden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 18 der beigezogenen Ermittlungsakte verwiesen.
Mit rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgericht Düsseldorf vom 03.12.2014 (80 Js 541/14) wurde der Beklagte wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Zur Begründung wurde in dem Strafbefehl unter anderem aufgeführt, dass der Beklagte den Kläger mit der Hand oder der Faust ins Gesicht, einhergehend mit vorübergehenden Sehstörungen erlitten habe. Nachdem der Beklagte beschränkt auf die Tagessatzhöhe Einspruch eingelegt hatte, wurde der Tagessatz auf 10,00 € ermäßigt.
Der Kläger behauptet, dass er im Rahmen des Polizeieinsatzes in der Polizeikette vor einer Luxusboutique eingesetzt gewesen sei, als sich der Kläger als Teil der Demonstrantengruppe den Polizeibeamten in den Weg gestellt habe und Mehrfach in Richtung der Polizeibeamten geschlagen und getreten habe. Dabei habe ihm der Beklagte kraftvoll mit seiner rechten Faust ins Gesicht geschlagen. In Folge dieses Schlages habe er Verletzungen an der Nase sowie im Bereich des rechten Auges in Form vorübergehender Sehstörungen sowie multiple Kratz- und Schürfwunden im Gesicht erlitten. Die danach entstandenen Schmerzzustände in Form von Druck und Kopfschmerzen seien erst nach ca. vier Wochen abgeklungen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, welches den Betrag von 750,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. % Prozentpunkten über dem Basiszins der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet, den Kläger, der ihm nicht bekannt sei, im Rahmen der Demonstration geschlagen zu haben.Vielmehr sei der Beklagte im Rahmen der Demonstration von einem Polizeibeamten, den er nicht kenne, auch unter Verabreichung von Schlägen in sein Gesicht zurückgedrängt worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 0.07.2016 sowie vom 27.10.2015 durch Einvernahme der Zeugen W. und M. Sowie auf Antrag des Beklagten durch Inaugenscheinnahme des Videos des BeSi-Teams aus der beigezogenen Ermittlungskarte. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27.10.2016 verwiesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
2. Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 750,00 € gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 Abs. 1 StGB zu.
Voraussetzung für eine Haftung nach den vorgenannten Vorschriften ist, dass der Beklagte in vorsätzlicher Weise die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit des Klägers beeinträchtigt hat und der Kläger dadurch Schmerzen erlitten hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte den Kläger im Rahmen des streitgegenständlichen Polizeieinsatzes in das Gesicht geschlagen hat, wodurch die körperliche Unversehrtheit des Klägers beeinträchtigt wurde. Nach dem in § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet. Dieser Grad an Gewissheit ist vorliegend erreicht.
Der Beklagte hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Beweistermin vom 27.10.2016 zwar für sich genommen glaubhaft bekundet, dass er zwar Widerstand geleistet habe, aber keinen Polizisten bewusst oder vorsätzlich mit der Faust oder Hand geschlagen habe. Vielmehr sei es im Rahmen der Ansammlung zu Schiebereien, Geschubse und Schlägen von Seiten der Polizei gekommen, wobei er von einem anderen Polizeibeamten, möglicherweise dem Zeugen W., geschlagen worden sei.
Aufgrund der nachstehenden Erwägungen ist das Gericht jedoch vom Gegenteil überzeugt. Dabei berücksichtigt das Gericht ausdrücklich nicht, dass der Beklagte rechtskräftig wegen Widerstandes gegen Beamte zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, denn, soweit darin ein Indiz im Rahmen der Beweiswürdigung zu sehen sein mag, hat der Beklagte für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass der Grund, weswegen er seinen Einspruch gegen den Strafbefehl lediglich auf die Tagessatzhöhe beschränkt habe, lediglich darin gelegen habe, dass er Sorge gehabt habe, dass er zu einer höheren Strafe al 90 Tagessätzen verurteilt werden könnte, sollte ihm das Gericht nicht glauben.
Das Gericht stützt seine Überzeugung zunächst auf die informatorische Anhörung des Klägers, die für sich genommen genauso glaubhaft und nachvollziehbar für das Gericht war wie die vorstehenden Angaben des Beklagten. Danach hat der Kläger bekundet, dass er im Rahmen des Polizeieinsatzes eingesetzt gewesen sei, woran auch unter Berücksichtigung der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Düsseldorf keinerlei Zweifel bestehen. Im Zuge der Bildung einer Polizeikette aufgrund der Menschenansammlung sei es dann zu Ausschreitungen gekommen, wobei er von der Person, die ihm gegenüber gestanden habe, in der er den Beklagten wiedererkannt habe, einen Schlag bekommen habe. Erst als er zurückgetreten sei und im Nachgang mit anderen Kollegen gesprochen habe, habe er mitbekommen, dass er eine Verletzung im Gesicht erlitten habe und blute. Der Kläger konnte lebensnah schildern, wie die Person vor ihm seine Arme und Hände erhoben habe und er dann einen Schlag bekommen habe. Den Beklagten konnte er insbesondere deswegen identifizieren, weil er dessen Haare wiedererkannte und insbesondere das Halstuch in Erinnerung hatte, das der Beklagte nach seinen eigenen Angaben und nach Inaugenscheinnahme der Fotografien in der Ermittlungsakte sowie des Videos des BeSi-Teams getragen hat. Der Kläger konnte insbesondere auch nachvollziehbar für das Gericht erläutern, warum ihm der Beklagte bereits im Vorfeld angesichts der großen Anzahl anderer Demonstranten aufgefallen sei, nämlich deswegen, weil dieser sein Halstuch hochgezogen hatte, was auf den Kläger in der Situation wie ein Akt der Vermummung gewirkt hat. Diese Angaben decken sich mit den Angaben des Beklagten aus informatorischen Anhörungen sowie dem in Augenschein genommenen Video des BeSi-Teams, da darauf erkennbar war, dass der Beklagte tatsächlich sein Halstuch zeitweise über die Nase gezogen hat, wobei für das Gesicht dahinstehen kann, ob dies zur Vermummung erfolgte oder der Beklagte dies entsprechend seinen Angaben tat, um sich vor einem etwaigen Pfeffersprayeinsatz zu schützen.
Der Kläger räumt im Rahmen seiner Anhörung auch explizit Erinnerungslücken ein, als dass er im Anschluss a die informatorische Anhörung des Beklagten ausführte, dass seine Erinnerung nach Ziel des Einsatzes gewesen sei, den Eingang einer Boutique zu schützen. Von Demonstranten, die Aufkleber geklebt hätten, sei ihm nichts in Erinnerung geblieben.
Diese Angaben decken sich im Wesentlichen mit den Angaben des Zeugen W.. Die Angaben des Zeugen W. sind insbesondere deswegen glaubhaft, weil der Zeuge unmittelbar eingangs seiner Vernehmung, bevor das Gericht oder die Parteivertreter Nachfragen äußerten, aus freien Stücken einräumte, dass er nicht explizit gesehen habe, dass ein Schlag des Beklagten den Kläger getroffen hat und der Kläger dadurch die Beeinträchtigungen erlitten hat. Der Zeuge legte vielmehr von Anfang an offen, dass er, als er in der Poizeikette unmittelbar neben dem Kläger eingesetzt war und agierte, gesehen habe, dass der Beklagte in Richtung des Klägers geschlagen habe, ohne dass er gesehen habe, dass der Schlag auch getroffen habe. Erst als er danach die Verletzungen des Klägers gesehen hae, sei er zu dem Schluss gekommen, dass die Beeinträchtigungen nur durch den Beklagten hervorgerufen worden sein könnten, zumal die aggressive Situation nur einige wenige Sekunden gedauert habe. Hinsichtlich des gezielten Schlages in Richtung des Kläger seitens des Beklagten war sich der Zeuge sicher.
Demgegenüber vermögen die Angaben des Zeugen M. Nicht dazu beitragen, die so gewonnene Überzeugung des Gerichts zu erschüttern. Zum einen konnte der Zeuge M. Nicht sicher ausschließen, dass der Beklagte einen Schlag in Richtung des Klägers ausgeführt hat, da er angab, den Beklagten nicht die ganze Zeit über gesehen zu haben. Zum anderen bestehen, soweit der Zeuge einen Schlag ebenso wie der Beklagte in Abrede gestellt hat, Bedenken an dem Wahrheitsgehalt der Angaben des Beklagten sowie des Zeugen M., da hinsichtlich des Randgeschehens deutlich Widersprüche zu Tage traten. So räumte der Beklagte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung ein, dass ihm und dem Zeugen M., bevor es zu der Menschenansammlung gekommen sei, Aufkleber ausgehängt worden seien, die diese sodann unter anderem an Litfaßsäulen und Laternen auf der Königsallee geklebt hätten. Der Zeuge M. Hingegen stellte dies in Abrede und gab lediglich an, dass ihnen Aufkleber übergeben worden seien, verneinte aber auch auf weiter Nachfrage des Gerichts, dass sie diese verklebt hätten. Darüber hinaus gab der Zeuge M. im Rahmen seiner Vernehmung an, dass er zwar keine Lautsprecheransagen der Polizei gehört habe, in denen die Demonstranten aufgefordert worden seien, zurückzutreten, aber seitens der in der Polizeikette stehenden Polizisten entsprechende Aufforderungen formuliert worden seien. Der Beklagte hingegen stellte lediglich Form der Aufforderung der Polizei, zurückzutreten, in Abrede, womit sich weitere Widersprüche in den Aussagen ergeben. Somit hat der Beklagte jedenfalls insoweit unwahr vorgetragen. Das Gericht ist nämlich davon überzeugt, dass die Demonstranten und damit auch der Beklagte im Vorfeld von der Polizei aufgefordert worden sind, zurückzutreten. Dies folgt zum einen aus den Inaugenscheinnahme des Videos des BeSi-Teams, das entsprechend des Antrages des Beklagten aus der Klageerwiderung im Rahmen des Beweistermins in Augenschein genommen wurde. Zwar waren dabei keine Lautsprecheransagen zu hören bzw. zu verstehen. Doch auch wenn der Beklagtenvertreter ausweislich Seite 11 des Sitzungsprotokolls im Rahmen der Inaugenscheinnahme keine Aufforderungen formuliert worden sind. Danach hat der Beklagte jedenfalls insoweit nachweislich die Unwahrheit bekundet.
Ferner gab der Zeuge M. an, dass er sich nicht daran erinnern könne, dass der Beklagte einen Schal getragen habe, was dieser jedoch selbst bestätigte. Aufgrund der vorstehenden Widersprüche, insbesondere hinsichtlich des Beklebens mit Aufklebern, erscheint für das Gericht nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge M. seine Aussage hinsichtlich des Geschehens daran orientiere, möglichst wenig Anlass dafür zu geben, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Beklagte der öffentlichen Ordnung zuwider verhalten hat, so dass zu vermuten ist, dass der Zeuge M. sich deswegen nicht an einen Schal erinnern konnte, um auszuschließen, dass sich der Beklagte entsprechend des Vortrags des Klägers, der insoweit das Gericht unerheblich ist und nicht erwiesen ist, vermummt hat oder nicht.
Letztlich bekunden sowohl der Beklagte als auch der Zeuge M., dass der Beklagte sich im Rahen der Menschenansammlung nicht aggressiv verhalten hätte. Nachweislich des in Augenschein genommenen Videos aus der Ermittlungsakte ist jedoch ersichtlich, dass der Beklagte jedenfalls aufgebracht und engagiert aktiv in Richtung der Polizeibeamten agiert hat. Auch wenn auf dem Video der streitgegenständliche Schlag nicht zu sehen war, machte der Beklagte keinen ruhigen Eindruck, weswegen der Eindruck des Klägers und des Zeugen W., der Beklate habe sich aggressiv verhalten, folglich nachvollziehbar ist. Darüber hinaus erscheint vor dem Hintergrund des in Augenschein genommenen Verhaltens des Beklagten nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte den Kläger in einer Sequenz, die nicht im Bild zu sehen war, tatsächlich geschlagen hat, wie für das Gericht entsprechend der vorstehenden Erwägungen feststeht.
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Kläger die streitgegenständlichen Verletzungen in Form von Kratz- und Schürfwunden im Gesicht infolge dieses Schlages erlitten hat. Das Gericht sieht insbesondere aufgrund der ausweislich der Ermittlungsakte in Form von Fotografien und einem späteren Attest dokumentierten Beeinträchtigungen keinen Zweifel daran, dass der Beklagte infolge des Polizeieinsatzes die Beeinträchtigung erlitten hat. Danach müssen die Beeinträchtigugen auf den Schlag zurückzuführen sein, da der Kläger angab, während des Polizeieinsatzes ansonsten nicht geschlagen worden zu sein.
Danach steht für das Gericht fest, dass der Beklagte den Kläger geschlagen hat und dieser dadurch Kratz- und Schürfwunden im Gesicht nebst Blutungen und Sehstörungen vorübergehender Art erlitten hat.
Die Beeinträchtigungen wurden auch in rechtswidriger Weise hervorgerufen. Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit im Rahmen des §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB vermutet, sofern eine kausale Gesundheitsbeeinträchtigung bewiesen ist, so dass der Beklagte die Rechtswidrigkeit zu erschüttern hat. Soweit der Beklagte angab, dass er von einem Polizeibeamten geschlagen worden sei, führt dies nicht dazu, dass der Schlag aufgrund einer Notwehrsituation gerechtfertigt ist. So bestehen hinsichtlich des Aussageverhaltens des Beklagten und der diesbezüglich bereits geschilderten Zweifel am Wahrheitsgehalt auch insoweit Zweifel, dass der Beklagte zuvor von einem Polizeibeamten mehrfach geschlagen worden sei. Darüber hinaus gab der Beklagte an, dass die Schläge von einem anderen Polizeibeamten, möglicherweise dem Zeugen W., ausgeführt worden seien. Danach stünde dem Beklagten allenfalls ein Notwehrrecht – und damit möglicherweise das Recht, einen Schlag auszuführen – gegen den Zeugen W. zu, nicht jedoch gegen den Kläger selbst, der den Beklagten nach seinen eigenen Angaben nicht geschlagen hat.
Gemäß §§ 249, 253 Abs. 2 BGB ist der Beklagte dem Kläger daher zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, wobei das Gericht einen Betrag in Höhe von insgesamt 750,00 € für billig hält.
Der Schmerzensgeldanspruch ist im Wesentlichen auf den Ausgleich der Schäden des Verletzten gerichtet, der dadurch in die Lage versetzt werden soll, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Darüber hinaus soll das Schmerzensgeld auch zu einer wirklichen Genugtuung führen (Grüneberg, in Palandt, Bgb, 75. Aufl. 2016, ³ 253 Rdn. 4 m.w.N.). Als Bemessungsgrundlagen sind hierbei insbesondere Ausmaß und Schwere der erlittenen Verletzungen, Dauer und Heftigkeit der Schmerzen, das Alter sowie die persönlichen und Vermögensverhältnisse der Verletzen und des Schädigers, ferner der Grad des Verschuldens und ein eventuelles Mitverschulden des Verletzten zu berücksichtigen (anstatt vieler: Grüneberg, in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 253 Rdn. 4,ff m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat die vom Beklagten dem Kläger zugefügte Verletzung dazu geführt, dass der Kläger sich Verletzungen an der Nase sowie im Bereich des rechten Auges zuzog. Weitergehend wurde eine vorübergehende Sehstörung, mit multiplen Kratz- und Schürfwunden im Gesicht diagnostiziert. Schmerzzustände wie Druck- und Kopfschmerzen blieben für einen Zeitraum von vier Wochen. Folgeschäden sind hingegen nicht zu erwarten. In Anbetracht der Einzelfallsituation, dass der Beklagte im Rahmen einer Demonstration auf einen Polizisten losgegangen ist und diesen verletzt habe, ist die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs für den Kläger hoch anzusetzten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es ein gewisses Maß an Aggressionspotential voraussetzt, einen Polizisten in einer geschlossenen Polizeikette derart im Gesicht zu verletzen und dass der Beklagte seine Haftung grundsätzlich in Abrede gestellt hat.
Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf § 286, 288 BGB. Der Beklagte befand sich mit Ablauf des Tages der Zustellung der Klageschrift am 09.05.2016 ab dem Folgetag in Verzug.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 750,00 EUR festgesetzt.“
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